Samstag, 12. Juli 2014

326♥ Seelenstriptease

Wer hier schon länger mitliest, weiß, dass ich hier im Blog eigentlich meine Erkrankung nicht groß an die Glocke hänge. Das Blog ist vor 2 1/2 Jahren nur entstanden, weil ich irgendwo meinen Gedankenkrams abladen wollte, schreiben hilft da sehr. Mir zumindest.
Da ich einige Wochen vorher nach vielen vielen Jahren wieder mit dem Nähen angefangen habe, entwickelte sich hier dann doch einiges anders als geplant und es ging nie um das eigentliche Thema, wie ich meinen Alltag mit 3 kleinen Kindern und dem Krebs so manage. Im Blog konnte ich entfliehen, das Schalentier war und ist dann immer ganz weit weg, Ich fühlte mich dann immer so herrlich "normal", kein Mitleid, keine traurigen Blicke, keine guten Ratschläge oder schlaue Sprüche.
Trotz allem spielt meine Erkrankung natürlich außerhalb der Onlinewelt immer noch eine große Rolle für mich, für uns alle. Denn vieles läuft dann doch anders in unserem Familienalltag ab, wie in "normalen" Familien.
Gerade beschäftigt mich das wieder sehr, vor zwei Wochen gab es erst eine Hiobsbotschaft von meiner Proktologin und  am Wochenende kam dann noch ein Arztbrief mit Untersuchungsergebnissen herein, in dem natürlich genau das stand, was ich eigentlich nicht lesen wollte. 

Übermorgen ist es 3 Jahre her, dass ich krebsfrei bin. 3 Jahre geschafft und somit fast auf der sicheren Seite.
Denn die Wahrscheinlichkeit, dass der Tumor nach der Radio-Chemotherapie erneut an der alten Stelle  anfängt zu wachsen (so etwas nennt man dann Rezidiv), ist in den ersten zwei Jahren nach Beendigung der Therapie am höchsten. Und somit habe ich schon ein weiteres Jahr Land gewonnen.....Tschakka!

Leider habe ich durch meine Erkrankung auch einige Folgeerkrankungen erlitten, die es mir immer noch nicht möglich machen, im normalen Arbeitsleben Fuss zu fassen. Somit ruhe ich seit letztem Jahr bei meinem schwedischen Arbeitgeber als Karteileiche im Personalarchiv, denn momentan bin ich Rentnerin.
Ich habe eine sogenannten EU-Rente auf Zeit.
Mit meiner 80% Behinderung habe ich auch schlechte Aussichten, mich wieder ganz normal ins Arbeitsleben zu integrieren. Leider macht mir mein Stoma {künstlicher Darmausgang} da einen großen Strich durch die Rechnung. Ich bin dadurch total unflexibel geworden, muss mir genau überlegen, wann ich das Haus verlasse und vorausplanen. Selbst eine halbstündige Fahrt zu einem größeren Supermarkt in der Nachbarstadt muss gut überlegt sein. Mal eben spontan ins Auto hüpfen und losfahren ist da nicht. Erst muss die Platte, die dauernd auf meinem Bauch klebt, gecheckt  bzw. ausgetauscht werden, damit mir unterwegs kein unangenehmes Malheurchen passiert.
Und ich muss auch in der körperlichen Verfassung sein, fahren zu können. Denn an manchen Tagen überwiegen Schmerzen, Müdigkeit und die daraus folgende miese Laune. Da ist es einfach besser zu Hause zu bleiben.
Jetzt hat mir meine Ärztin auch noch vor zwei Wochen mitgeteilt, dass ich wahrscheinlich den Rest meines Lebens als Beuteltier herumlaufen werde. :(
Herrje, seit 2 1/2 Jahren warte ich bei jeder Untersuchung darauf, dass sie zu mir sagt: "Frau K., es ist soweit, ihre Strahlenprokitis ist verschwunden, alles sieht super aus, nächste Woche operieren wir und legen den künstlichen Ausgang zurück."
Und nun sowas! Abgefunden habe ich mich damit noch nicht. Will ich auch nicht. Mein Ziel ist es einfach, dass irgendwann einmal wieder alles in Ordnung ist.

Und jetzt der nächste Schocker für mich in Briefform.
Nach der Therapie bin ich aufgegangen wie ein Hefekloß. So richtig!
Die ersten Monate nach den Bestrahlungen konnte ich mich kaum bewegen. Selbst heute, 3 Jahre später habe ich immer noch Probleme mir Socken oder Schuhe anzuziehen.
Sport war also die erste Zeit undenkbar.
Mittlerweile mache ich seit etwas über einem Jahr im Sportverein Zumba und seit Ende Januar gehe ich regelmäßig ins Fitness-Studio. Dort mache ich ebenfalls Zumba und dann noch Aerobic, Zirkeltraining und natürlich so einen Krams wie Laufband, Cross Trainer und was da noch so alles rumsteht.
Zuhause gehe ich dann noch walken und shredde.
Eigentlich sollte man meinen, dass ich bei soviel Bewegung gertenschlank sei, aber denkste.
Im Februar waren es dann auf einmal 47 Kilo!!!, die ich innerhalb von 2 Jahren mehr auf der Waage hatte. Und das alles mit einer vollkommen normalen Ernährung.
Kalorien sind wohl doch Tierchen, die die Kleidung über Nacht enger nähen.
"Normal ist das nicht", fand dann auch meine Hausärztin und verschrieb mir eine Ernährungstherapie und drückte mir zusätzlich eine Überweisung zum Endokrinilogen in die Hand.
Darauf hatte ich so viel gesetzt, dass da endlich die Ursache für mein neues Moppel-Ich gefunden wird.
Und nun kommt dieser Arztbrief, in dem man mir mitteilte, dass man bei der Blutuntersuchung und der anschließenden Messung des Cortisolwertes nichts dramatisches feststellen könnte.
Puuh, das muss ich jetzt erstmal verdauen, heißt es jetzt weiter Ursachenforschung betreiben und wieder beim Arzt "betteln".

Mittlerweile sind es zwar "nur" noch 42 Kilo Zunahme, aber mit 5 Kilo Abnahme in 4 Monaten habe ich mich auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Und das trotz eiserne Überwachung der Therapeutin und des vielen Sports.

Und jetzt mache ich das, was mich am Besten von solchen Niederlagen ablenkt....ich schreibe diesen Post und werde mich gleich an die Nähmaschine setzen. Das Patenkind des Lieblingsmannes feiert morgen ihren 4. Geburtstag. Da muss noch ein passendes Geburtstags-Shirt her und ich werde mich  zum ersten Mal an einer Lenkertasche für ihr neues Fahrrad versuchen.
Drückt mir die Daumen das es klappt.
Sowohl die Lenkertasche als auch das meine Waage endlich mal eine ordentliche Abnahme zeigt.
Denn das ist fast noch schlimmer, wie ein "Känguru" zu sein. Das kann man nämlich im Gegensatz zu meinem dicken Hintern nicht sehen.

P.S. Hoffentlich bleibt ihr mir jetzt auch trotz Seelenstripping als Leser erhalten. Dieses Posting kostet mich viel Mut um veröffentlicht zu werden. Aber jetzt habe ich es geschrieben und drücke gleich mit einem tiefen Luftholer auf das orangene Veröffentlichen oben rechts.
Tief einatmen....und los....

10 Kommentare:

  1. also, wenn jetzt Leser wegen dieses Seelenstriptease gehen sollten, dann trauere denen bitte nicht hinterher!
    ich finde das mega-mutig, dass du das schreibst und so von dem anderen Alltag, der ja deine Realität ist, berichtest!
    ich wünsche dir, dass du den Krebs endgültig besiegt hast, der künstliche Ausgang in absehbarer Zeit verschwindest und auch dein Gewicht sich wieder normal verhält!
    dazu außerdem noch alles Liebe und Gute und viel Durchhaltevermögen!

    GLG
    sjoe

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    1. Ich bin hier nur durch Zufall gelandet, wollte mich diesem Statement aber 100%ig anschließen.

      Die Mama von meinem Patensohn hat vor 8 Jahren die Diagnose Hirntumor bekommen und seit dem ist auch nichts mehr wie vorher. Dann hieß es, der Krebs sei weg, dann kam er wieder ... sie hat auch Gewicht "gewonnen", ist Frührentnerin und auf ständige Pflege angewiesen.

      Ich bin befangen im Umgang mit ihr. Ich will nichts Falsches sagen : (
      Sie hat in einer Woche Geburtstag und dein Post hat mich ermutigt, mich doch mal ganz unbefangen bei ihr zu melden (und nicht nur bei meinem Patensohn). Danke dafür!

      Liebe Grüße von Annika

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    2. Dankeschön, sjoe. ♥
      Und @ Annika, sei einfach ganz "normal" im Umgang mit ihr und besuche sie auf jeden Fall. Lache und weine mit ihr. DAS ist genau das, was man in so einer schwierigen Zeit benötigt...

      liebe Grüße
      Alex

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  2. Ich finde es auch sehr mutig von dir, deine Gedanken so niederzuschreiben. Hut ab! Ich wünsche dir weiterhin gute Nerven im Kampf gegen die Krankheit(en) und alles Gute! Ich lese hier weiterhin sehr gerne mit.

    Liebe Grüße,
    Jessica

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  3. Ich finde es auch sehr mutig von dir, dass du dich davon befreist,
    denn alles war ja bis jetzt eine ungeheuere Last,
    die Zunhamen könnten eventuell von der Schilddrüse sein,
    lass dich mal auf das Hashimoto Syndrom untersuchen.
    Ich hab ja auch nach dem ich Insulin spritzen muß 15 kg zugenommen
    und fühl mich auch damit nicht so toll.
    Ich drück dir die Daumen, dass die Ursache gefunden wird.
    Liebe Grüße
    Nähoma

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    1. Huhu,

      ja, Hashimoto wird nach den Ferien in Angriff genommen. Würde von den Symptomen auf jeden Fall passen.

      liebe Grüße
      Alex

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  4. Ein bischen fehlen mir die Worte.... Ich habe einen Kloß im Hals und Tränen in den Augen. Und das sind auch meine Tränen da unsere Familie ein ähnliches Schicksal durch leidet. Ich weiss was es heißt zu bangen, zu beten, zu weinen, zu hoffen. Und letzteres will nicht immer gelingen, aber die Hoffnung ist alles was bleibt und was wir brauchen, denn ohne Hoffnung ist alles nichts....
    Ich finde es unglaublich mutig von dir diese Zeilen zu schreiben und ich gewundere dich dafür.
    Ich wünsche dir alles Beste der Welt! Lass dich nicht unter kriegen!
    Drück dich ganz fest
    Liebst Andrea

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    1. Dankeschön für Deine lieben Worte! ♥

      Unterkriegen lassen werde ich mich nicht. Zum Glück bin ich von Natur aus ein fröhlicher Mensch. Nur an manchen Tage fällt es dann doch ein wenig schwer. Aber ich mach das Beste draus.

      liebe Grüße
      Alex

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  5. Du bist großartig ! So mutig. Alles Gute von Herzen. Glaub daran! Ich tu es! Auch ohne dich persönlich zu kennen!
    ganz liebe Grüße
    Patricia

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♥♥♥ lch freue mich riesig über jeden einzelnen Kommentar von euch und feiere ihn mit einer ordentlichen Portion Konfetti! ♥♥♥